Überall steht es geschrieben: Wenn du gute Webtexte schreiben willst, dann musst du dich einfach und leicht verständlich ausdrücken. Mach keine Schachtelsätze, in denen sich deine Leser*innen wie in einem Labyrinth verirren: Aus dem finden sie nämlich nur heraus, indem sie dich wegklicken. Also, los geht’s, schreib einfach! Wahrscheinlich denkst du jetzt: Puh.
Einfache Webtexte = gar nicht einfach?
Das bekannte KISS-Prinzip bringt es auf den Punkt: Keep it short and simple. Schön und gut, sagst du jetzt vielleicht, hab ich alles schon probiert. Seitdem klingen meine Sätze abgehackt und wie auf dem Niveau eines Dreijährigen.
Die alles entscheidende Frage lautet: Wie zum Teufel schreibe ich diese leicht lesbaren Webtexte?
Schon Leonardi da Vinci wusste:
„Einfachheit ist die höchste Stufe der Vollendung.“
Und wenn das schon einer der berühmtesten Universalgelehrten aller Zeiten feststellte, heißt das vor allem, dass Einfachheit alles andere als einfach ist.
Finde heraus, welcher Schreibtyp du bist
Gerade im Deutschen neigen wir dazu, uns zu kompliziert auszudrücken. Doch woran liegt das eigentlich? Oder besser: Warum machen wir das? Nachfolgend stelle ich dir vier verschiedene Typen vor. Du wirst feststellen: Nicht immer liegt es allein am Handwerk, zumindest nicht, wenn du zu einem der ersten drei Typen gehörst. Kennst du den Grund dafür, warum dir einfache Webtexte schwerfallen, kannst du das Problem angehen.
1. Der Angeber
Er möchte gerne zeigen, was er sprachlich alles kann: Dass ihn dabei niemand versteht und er vor allem Minuspunkte auf der Beliebtheitsskala sammelt, ist ihm nicht einmal bewusst. In die Kategorie Angeber fallen vor allem Menschen, denen es an Selbstbewusstsein mangelt. Sie kompensieren ihre Unsicherheit, indem sie in ihren Texten ihre Intelligenz zur Schau stellen. (Und ich gestehe: Zu der Sorte habe ich auch mal gehört. Mit Fremdwörtern und elaborierter Sprache baute ich mir meinen Turm von Babel. Warum ich das erwähne: Wenn ich mich jetzt verständlich ausdrücken kann, kannst du das erst recht!)
Im Netz interessieren sich Lesende nicht für deine ach so tolle Eloquenz. Die sind auf einer eigenen Mission und wollen einfach nur ihre Antworten. Es lohnt sich hier die Blickrichtung zu ändern: Weg von einem selbst, hin zum Publikum. Will ich mit meinem Text etwas vermitteln oder will ich mein Ego aufplustern? Wer (gute) Aufmerksamkeit erzeugen will, der muss im Netz auf Augenhöhe agieren.
2. Der Dilettant
Er drückt sich kompliziert aus, weil er den Sachverhalt gar nicht versteht. Im Gegensatz zum Angeber, besitzt er zu viel Selbstbewusstsein. Wir alle kennen diese Schüler*innen aus unserer Schulzeit, die in einer Tour geredet haben, ohne zum Punkt zu kommen. Die haben zu allem Überfluss auch noch die besten Noten bekommen – weil der Lehrer so doof war und nicht geschnallt hat, dass die gar nichts können, oder weil er selbst so ein Kandidat gewesen ist.
Was in der Schule funktionierte, scheitert im Netz: Hier ist jeder Dilettant schneller enttarnt, als er das Wort buchstabieren kann. Wir wollen konkrete Antworten, Gequatsche klicken wir weg. Der Dilettant ist der schwierigste Typ von allen: Er müsste sich eingestehen, dass er doch kein Experte ist und damit würde die Blase vom Selbstbewusstsein platzen.
3. Die Plaudertasche
Durchaus eine angenehme Zeitgenossin. Wir werden alle gerne unterhalten – bis zu einem gewissen Grad. Allerdings redet die Plaudertasche ohne Pause und Interpunktion. Und auch in ihren Webtexten prasselt sie wie ein Wasserfall auf uns ein. Das Problem: Sie bemerkt nicht, dass ihre Leser*innen darin ertrinken. Die Plaudertasche braucht vor allem Struktur. Mein Tipp: Ein Gedanke pro Satz, ein Thema pro Absatz. Wenn du äußerlich auf eine Struktur achtest, dann wird sich auch eine inhaltliche herauskristallisieren.
4. Alle anderen
Dann gibt es noch den Rest (worunter auch die ersten drei fallen): Diejenigen, die nie gelernt haben, verständliche Texte zu schreiben. Wer hat das schon in der Schule, der Ausbildung oder der Universität gelernt? Gerade im akademischen Elfenbeinturm gilt es sich von all den unwissenschaftlichen Banausen da draußen abzugrenzen: Den Normalbürger*innen.
Wenn dein Angebot aber nicht gerade für elitäre Kreise geschaffen ist, dann musst du lernen, wie du einfache, leicht verständliche Webtexte schreibst. Ob auf deiner Website, deinem Blog oder auf Social Media: Deine Sprache ist immer die helfende Hand, die du deiner Zielgruppe hinhältst. Diese bemerkt sofort, ob das eine vertrauenswürdige Hand ist oder nicht.
Die vier Typen zeigen: Ist ein Text schwer zu verstehen, dann liegt das weniger am Inhalt als viel mehr an uns selbst. Denk an all die populärwissenschaftlichen Bücher, die komplizierte Sachverhalte verständlich und auch noch unterhaltsam vermitteln: Diese Bücher boomen heute, weil sie jede*r von uns verstehen kann. Was heißt das für dich? Je verständlicher und zugänglicher du in deiner Kommunikation bist, desto mehr Menschen wirst du erreichen.
Das Verständlichkeitsmodell für gute Webtexte
Kehren wir jetzt zur Ursprungsfrage zurück: Wie zum Teufel schreibst du diese leicht verständlichen Webtexte? Und welche Parameter gibt es, damit du deine Texte dahingehend überprüfen kannst? Dazu möchte ich dir das Hamburger Verständlichkeitsmodell vorstellen.
Das Modell wurde bereits in den 1970er-Jahren von Psychologen entwickelt. Friedemann Schulz von Thun beschreibt das Hamburger Verständlichkeitsmodell im ersten Band seiner Trilogie „Miteinander reden“, das heute als Standardwerk der Kommunikationspsychologie gilt. Vier Hauptmerkmale kennzeichnen demnach einen verständlichen Text:
1. Einfachheit
Du schreibst einfache Sätze und verwendest bekannte Wörter. Verzichte auf Fremdwörter und wenn du doch eines verwendest: Erkläre dieses. Es kommt immer auf den Wissenskontext deiner Leserschaft an.
Ich schreibe über Content-Marketing: Viele werden die Begriffe kennen, auf die ich zurückgreife. Andere wiederum nicht. Deswegen habe ich das Glossar erstellt, wo ich diese Begriffe kurz und leicht verständlich erkläre.
2. Gliederung und Ordnung
Die Gliederung und Ordnung betreffen den Aufbau deines Textes.
Die Gliederung bezieht sich auf die äußerliche Übersichtlichkeit: Verwende (Zwischen-) Überschriften, Absätze und Hervorhebungen.
Die Ordnung dagegen bezieht sich auf die innere Folgerichtigkeit: Ist dein Text logisch aufgebaut? Gibt es einen roten Faden? Anfang, Mitte, Ende? Skizziere vor dem Schreiben einen möglichen Aufbau für deinen Text, das gibt dir eine Orientierung.
3. Kürze und Prägnanz
Kürze und Prägnanz sind das Gegenteil von Weitschweifigkeit: Mit wenigen Worten erklärst du deinen Sachverhalt. In Bezug auf die Weitschweifigkeit gibt es zwei Sorten. Einmal die sprachliche: Du wiederholst ein und dasselbe mit anderen Worten. Und einmal die inhaltliche: Du holst aus, bringst zu viele Nebensächlichkeiten auf den Tisch und bist ausführlicher als nötig.
Füllwörter sorgen zum Beispiel für Weitschweifigkeit: Genau, offenbar nun, auch, in diesem Zusammenhang, schon, sicher, trotzdem, etwas, eigentlich. Aber sie sorgen auch für Lebendigkeit, weil ein Webtext dann mehr wie gesprochene Sprache klingt. Du sollst also (= ein Füllwort) nicht auf sie verzichten, aber wähle sie bewusst.
Und um dir das Kürzen so einfach wie möglich zu machen: Frage dich immer aus der Perspektive deiner Lesenden, ob das hier gerade relevant für sie ist und zum Thema gehört.
4. Zusätzliche Stimulanz
Unter zusätzlicher Stimulanz lassen sich die verschiedene Möglichkeiten zusammenfassen, die einem Text Leben einhauchen und dadurch die Gefühle der Lesenden ansprechen. Zum Beispiel durch:
- persönliche Erlebnisse
- Fotos und Grafiken
- Sprachliche Bilder:
– Metaphern („Die Nadel im Heuhaufen suchen.“)
– Personifikationen („Die Sonne lacht.“)
– Vergleiche (wie mein Satz ganz oben mit den Schachtelsätzen und dem Labyrinth)
Solche anschaulichen Vergleiche sind Infotainment: Sie informieren und unterhalten. Da haben wir gleich viel mehr Lust weiterzulesen.
In meinem letzten Beitrag vergleiche ich die Startseite mit der ersten Seite einer Tageszeitung: Jede*r weiß, wie eine solche aufgebaut ist. Ich vermittle also an dieser Stelle Wissen mit bereits vorhandenem Wissen meiner Lesenden.
Wikipedia beschreibt die zusätzliche Stimulanz übrigens treffend als „anregende Zusätze“.
Wie du deinen Text auf Verständlichkeit überprüfst
Das sind die vier Merkmale für verständliche Texte. Wichtig ist: Am Anfang schreibst du immer einen Rohtext. Der Reintext kommt erst hinterher. Du musst dich also überhaupt nicht verrückt machen und kannst dich zunächst auf den Inhalt konzentrieren. Skizziere, wie bereits erwähnt, einen möglichen Aufbau und hangel dich an diesem entlang. Danach kommt das große Redigieren – bis du deinen Reintext hast.
1. Für die schnelle Überprüfung: Der Flesch-Index
Möchtest du deinen Webtext jetzt auf seine Lesbarkeit überprüfen, gibt es verschiedene Methoden. Der Flesch-Index berechnet sich aus „aus der durchschnittlichen Silbenzahl pro Wort und der durchschnittlichen Satzlänge“.
Du kopierst deinen Text in das Eingabefeld und schon hast du das Ergebnis. Aber: Der Flesch-Index sagt letztendlich nichts über die tatsächliche Lesbarkeit deines Textes aus. Schließlich gibt es auch lange Wörter, die leicht verständlich sind. Und auch die Struktur sowie die innere Folgerichtigkeit kann der Flesch-Index nicht bewerten.
2. Für eine intensive Überprüfung: Die vier Dimensionen der Verständlichkeit
Um diese letzten Punkte zu überprüfen, bedarf es vor allem eines: Dem menschlichen Gehirn. Daher haben Schulz von Thun und seine Kollegen eine Messlatte mit fünf Abstufungen für die Verständlichkeit eines Textes entwickelt:
Quelle: Schulz von Thun, Miteinander reden: 1, Seite 172.
Dieses Konzept ist wesentlich aufwendiger als der Flesch-Index und gerade für Anfänger braucht es etwas Zeit. Aber mithilfe dieser Tabelle kannst du deinen Webtext endlich auf seine Verständlichkeit überprüfen. Beim Lesen deines Textes beachtest du alle vier, links angegebenen Kategorien und stufst den Text dahingehend ein. Das könnte dann so aussehen:
Einfachheit: +
Gliederung-Ordnung: 0
Kürze-Prägnanz: –
Zusätzliche Stimulanz: ++
Daraus ergibt sich: Dein Text ist einfach geschrieben, aber nicht extrem einfach. Die Gliederung-Ordnung ist weder gut noch besonders schlecht, kann aber auf jeden Fall noch optimiert werden. Was die Kürze-Prägnanz betrifft, so besteht auf jeden Fall noch Verbesserungsbedarf. Und bei der zusätzlichen Stimulanz wurde ein wenig übertrieben, da sollten noch ein paar Streichungen vorgenommen werden.
3. Für eine schnelle UND intensive Überprüfung: Wortliga
Nicht immer haben wir die Zeit, uns derart intensiv mit einem Text auseinandersetzen. Deswegen lege ich dir ein weiteres Tool ans Herz: Wortliga. Das Hamburger Verständlichkeitsmodell wird hier als Grundlage verwendet. Du kannst deinen Text hineinkopieren und siehst durch farbige Markierungen, wo es Verbesserungspotenzial gibt.
Zu lange Sätze, Passivkonstruktionen, Phrasen, Füllwörter und vieles mehr werden dir dort sofort angezeigt. Aber wie schon beim Flesch-Index: Letztendlich bedarf es auch des eigenen Verstandes. Lange Sätze sind nicht per se schlecht und ohne das geringste Füllwort wirkt dein Webtext schnell hölzern.
Fazit
Durch die Schreibtypen weißt du jetzt, dass selten der Inhalt für die schlechte Lesbarkeit eines Textes verantwortlich ist als viel mehr dessen Verfasser. Das kann handwerkliche, aber auch psychologische Hintergründe haben.
Außerdem hast du die vier Merkmale kennengelernt, die einen Text leicht lesbar und verständlich machen. Und vor allem: Du weißt jetzt, wie du deine Webtexte dahingehend überprüfen kannst. Das mag am Anfang sehr viel Aufwand sein, lohnt sich aber langfristig. Du bekommst ein Gefühl dafür, wie einfache Webtexte funktionieren.
Mit der Zeit wirst du nicht nur selbstsicher im Texten, du wirst dein neu erworbenes Wissen auch intuitiv umsetzen und nicht mehr 20 Minuten über jeden Satz nachgrübeln. Probiere es aus und lass mich gerne wissen, wie es klappt. Bis dahin wünsche ich dir viel Erfolg beim Schreiben exzellenter, leicht lesbarer Webtexte!
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